April 5th 2020

A blog post a day XXI - Ein Bild, zwei Geschichten

by Alex and Hannah, in Off-Topic
Bild, Titelbild zu A blog post a day XXI - Ein Bild, zwei Geschichten

A blog post a day XXI - Ein Bild, zwei Geschichten

...keeps insanity away!
- www.isorauschen.at -


Manchmal tut es gut, wenn man aus seiner "Comfort-Zone" steigt und sich an Dingen probiert, in denen man noch nicht so viele oder keine Erfahrungen hat. Wir alle sind im Moment in einer Schwebesituation, die wahrscheinlich die meisten von uns dazu bringt, viel nachzudenken und zu grübeln. Schreiben ist eine Möglichkeit, Dinge zu verarbeiten, oder einfach mal aus der eigenen Welt für kurze Zeit auszubrechen.
Aus diesen Gründen haben wir uns dazu entschieden, ein neues Projekt auszuprobieren - wir haben 1 Bild ausgesucht, zu dem jeder von uns schreibt - sodass wir dann 2 Kurzgeschichten dazu haben. Es ist spannend, wie unterschiedlich und doch ähnlich die Herangehensweisen waren. Für uns war es eine erfüllende Erfahrung, die wir auf keinen Fall bei einer einmaligen Sache belassen wollen.

Viel Spaß beim Lesen!


Kurzgeschichte 1

Eine unerwartete Begegnung
von Hannah

gehe zu

Kurzgeschichte 2

Mitten im Nirgendwo
von Alex

gehe zu



Eine unerwartete Begegnung


So viel Ruhe hatte sie sich erst gestern noch nicht einmal in ihrer Vorstellung ausmalen können. Als ihre Schwester ihr von der Hütte des Bruders ihres Mannes erzählt hatte, stimmte sie nur gezwungenermaßen zu. Nach all den Jahren, in denen ihre fürsorgliche Schwester nun schon versuchte sie zu therapieren, hatte sie gelernt, soviel sie ertragen konnte einfach anzunehmen. Ja, sie war gestresst, und ja, oft wurde ihr Arbeit, Alltag und der Verein einfach zu viel, aber sie war deswegen kein Patient, der von ihrer Schwester gerettet werden musste. Ihr Lebensstil unterschied sich nun mal maßgeblich von dem ihrer 3 Jahre jüngeren Schwester, und diese wollte nicht einsehen, dass jemand, der sich nicht „Eins mit der Natur“ fühlte, auch glücklich sein konnte. Auf seine eigene Art und Weise.
Am Vorabend war sie angereist, direkt aus dem Büro, um auf Ratschlag ihrer Schwester das Wochenende in vollkommener Ruhe, alleine, zu verbringen. Ihre Schwester hatte ihr eine Botschaft hinterlassen:

1. Regel: Schalte alle deine elektronischen Geräte aus und schalte sie erst wieder ein, wenn du zu Hause bist.
2. Regel: Verbringe so wenig Zeit wie möglich in der Hütte, geh hinaus!

Sie hatte den Briefumschlag am Abend noch ignoriert und natürlich im Bett vor dem Schlafengehen noch ihre E-Mails abgerufen, Kunden mit der Nachricht beruhigt, dass sie ab Montag wieder wie immer für sie da sein werde. Natürlich musste sie auch noch alle möglichen Social Media Plattformen durchstöbern. Vor allem um zu sehen, ob Paul noch immer glücklicher war, als er es mit ihr jemals hätte sein können. Ja, war er.
Nachdem sie in der Nacht all die Ablenkungen hatte, fiel ihr erst am Morgen auf, wie sich die Geräuschkulisse der Ruhe wie ein Schleier über sie legte. Sie hörte weder Autos, noch Radios oder Menschenstimmen. Sie hörte nichts. Erst, als sie genauer drauf achtete, was sich um sie herum abspielte, hörte sie Vögel zwitschern, sie hörte das Rascheln der Äste, die sich im sanften Wind leicht gegeneinander schmiegten. Obwohl es schon März war, lag hier noch immer Schnee. Anders verhielt es sich auf der anderen Seite des Sees, die nicht im Schatten des Berges, über dessen Namen sie sich noch nicht einmal Gedanken gemacht hatte, lag. Dort drüben, dachte sie, dort herrscht schon der Frühling. Ich bin noch im Winter.
Nachdem sie den Brief ihrer Schwester gefunden hatte, setzte sie sich mit ihrer Tasse Kaffee an ein Fenster und dachte darüber nach, wie sie weiter vorgehen sollte. Ihr erster Impuls war es der Nachricht kein Gewicht zu geben und sich gemütlich an ihren Laptop zu setzen. Nachdem sie allerdings am Vorabend die fast 3 Stunden lange Fahrt hier her auf sich genommen hatte, beschloss sie doch, sich einfach darauf einzulassen – sonst hätte sie ja auch zu Hause bleiben können.
Als sie den ersten Atemzug in der kühlen, und so unglaublich frischen, Morgenluft nahm, hatte sie das Gefühl, etwas spüren zu müssen. Geborgenheit, Freude, Entspannung. Aber sie fühlte nichts. Wenn da etwas war, dann Ärger darüber hier zu sein und für einen Moment lang geglaubt zu haben, das könnte ihr gut tun. Sie stapfte, mit ihren Turnschuhen, die für den Schnee absolut nicht geeignet waren, um die Hütte herum, sodass sie einen perfekten Blick auf den See hatte. Für ein paar Minuten blieb sie einfach so stehen, starrte mal nach links, mal nach rechts, aber die meiste Zeit einfach auf den vor ihr liegende See, dessen Oberfläche in hypnotisierendem Rhythmus leichte Welle schlug. Er erinnerte sie an die Zeiten ihrer Kindheit, wenn sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester im Ferienhaus an dem tiefblauen See war, als sie durch ihre Sprünge ins Wasser unzählige Male die Oberfläche brach und sich die Wellen um sie herum überschlugen. Die Zeiten, in denen noch alle vereint waren.
Sie schüttelte den Kopf, so als ob sie versuchen würde den Gedanken aus ihrem Kopf zu schütteln, und startete ihren Entdeckungsmarsch dann doch wieder um das Haus herum und durch den kleinen Pfad in den Wald. Hauptsache weg vom Wasser.
Nachdem der Spaziergang nun schon eine gefühlte Ewigkeit gedauert hatte und in ihrer Wahrnehmung in seiner Eintönigkeit unschlagbar gewesen war, beschloss sie, doch wieder umzudrehen, anstatt wie bisher zu hoffen, dass der Pfad auf dem sie sich befand, eine Art Rundweg war, der sie wieder zu ihrem Ausgangspunkt bringen würde. Das tat er nicht, er ging in eine ganz andere Richtung.
Gerade als sie umdrehen wollte, entdeckte sie plötzlich etwas, das so gar nicht in die Szenerie passte. Durch die Äste blitzte etwas Gelbes. Etwas, das aussah wie eine Jacke. Je näher sie dem Unbekannten kam, desto klarer wurde das Bild. Auf einem Baumstamm, der wohl von einem Sturm in dem wilden Winter niedergerissen worden war, saß ein Mann in einer blitzgelben Jacke. Der Mann muss mindestens 70 Jahre alt gewesen sein und saß einfach so da. Starrte auf den unendlich wirkenden Wald, inmitten dessen er sich befand. Sie blieb stehen und überlegte sofort umzudrehen und wegzugehen. Ob sie die Situation, den einsamen Mann im Wald, bedrohlich fand oder einfach nicht stören wollte, darüber konnte sie nicht mehr nachdenken, denn der Fremde hatte bereits in aller Ruhe aufgeschaut und sie zu sich gewinkt. Wortlos und mit zögerlichen Schritten ging sie also zu ihm, hielt kurz inne und setzte sich dann neben ihn. Die Situation war so skurril, dass sie ihre Gedanken nicht klar fassen konnte. „Was für ein wunderschöner Tag. Der Duft, der in der Luft liegt, wenn der letzte Schnee dagegen ankämpft, von der Sonne und ihrer Wärme zu Wasser geformt zu werden und gleichzeitig die Bäume und Gräser ungeduldig darauf warten, wiederaufzustehen – das ist der lebendigste Duft von allen. Oft vergessen wir, dass wir hier sind, um die Momente, die uns gegeben sind zu erleben, mit all unseren Sinnen und unserem ganzen Bewusstsein. Wir sind hier und das ist gut so. Wissen Sie, es spielt keine Rolle was früher einmal gewesen ist, wen wir auf dem Weg hierher verloren haben, wie der Weg der anderen Menschen aussieht. Wichtig ist, dass wir unseren eigenen Weg kennen und uns nicht verirren. So oft ist unser Körper an einem Ort und der Geist an einem anderen, aber das ist falsch. Es gibt nur einen einzigen Weg den Körper und Geist gemeinsam gehen können und wer den noch nicht gefunden hat, muss alles daran setzen, ihn zu finden. Und zwar alleine. Wir sind nicht dafür verantwortlich, den Weg anderer Menschen für sie zu finden, wir müssen ihnen auch nicht helfen. Denn das schafft jeder ohnehin nur alleine. Wissen Sie, mein Weg führt in diese Richtung,“ er zeigte dahin, wo sie hergekommen war, „und wenn ich mir Sie so ansehe, dann bin ich mir sicher, dass Sie eigentlich auch schon wissen, wohin Ihr Weg gehen muss. Sie müssen es nur zulassen und Ihnen selbst genauso gut zuhören, wie Sie mir gerade zuhören. Genießen Sie Ihren Tag, junge Dame.“ Damit stand er auf, lächelte sie mit dem wärmsten Lächeln an, welches umgehend ein wohliges Gefühl in ihrer Brust auslöste, und marschierte mit überraschend flottem Schritt los. Für eine Weile blieb sie noch sitzen, ihr Atem wurde von Atemzug zu Atemzug immer ruhiger, ihre Muskeln fühlten sich zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder entspannt an. Dann stand sie auf, und anstatt in Richtung Hütte zu gehen, folgte sie dem Pfad noch weiter, der so viel in ihrem Leben verändern sollte.


Kurzgeschichte 1

Eine unerwartete Begegnung
von Hannah

gehe zu

Kurzgeschichte 2

Mitten im Nirgendwo
von Alex

gehe zu

Mitten im Nirgendwo


Es ist ein Tag wie jeder andere. Jemand blickt aus dem Fenster, aus einem Haus, an einem See. Erblickt eine Landschaft, grau in grau. See, Wald, Ufer, Schneefelder, die sich hartnäckig auf den braunen Wiesen halten. Ein kleiner blauer Fleck am Himmel ist dann aber die Motivation für einen Spaziergang. Beim Anziehen der Jacke im kleinen abgetrennten Vorraum kann man den warmen Atem in der eiskalten Luft sehen. Es ist ein altes Haus. Alte Fenster, Fensterrahmen aus Holz, einfaches Fensterglas, Eisblumen kommen zum Vorschein an denen sich ein verlorener Sonnenstrahl bricht. Schon bei den ersten Schritten kann man die Grashalme brechen hören, die durch den Schatten und der vom See herauf strömenden Kälte tiefgefroren sind. Nur langsam wärmen sich die Muskeln auf und aus den zähen Schritten wird ein flotter Gang. Mit dem Kopf tief im hohen Kragen der dicken Daunenjacke und dem Blick am Boden kommt bei dem rhythmischen Tritten eine fast schon meditative Stimmung auf. Bei jedem zweiten Schritt schleift die Ferse über den Rollsplitt. Von links kommt eine kalte Brise vom See. Von rechts der Duft von jungem Bärlauch. An den raren Stellen, an denen die Sonne ihre Kraft schon entfaltet, sprießen die ersten Frühlingsblumen. Ein scharfer Laut ertönt hoch vom Himmel, die Vögel verstummen und es wird ganz leise rundherum. Die Maus, die gerade noch am Straßenrand vergeblich nach Nahrung gesucht hat, verfällt in Starre um selbst nicht zum Futter zu werden, von einem einsam kreisenden Mäusebussard. Sein Revier reicht weit über das in graue Schleier gehüllte Tal. Die Maus hat Glück, der Bussard ist nicht auf Beutefang. Als die Straße zu einer Kreuzung führt, stellt sich die Frage, welchen Weg nun nehmen? Auf den Rundweg um den See, auf die Sonnenseite, die Seite von der aus man das Haus von gegenüber betrachten kann. Oder einfach gerade aus weiter? Links liegt eine Brücke im Schatten. Unter ihr fließt der Zulauf zum See. Auf ihr glänzt eine Eisplatte, spiegelglatt, also gerade aus. Das Ende der hügeligen Straße kann man durch den Nebel kaum erkennen. Es wirkt wie auf einem dieser Bilder, von Mitten im Niemandsland. In der Ferne tauchen zwei kleine Lichter auf. Schon beim ersten Wahrnehmen fragt man sich, was es wohl sein könnte. Sie kommen nicht schnell näher. Scheinen sich nicht zu bewegen. Also kein Fahrzeug. Auch hört man nichts. Umso näher man den Lichtern kommt, desto eher kann man erahnen, worum es sich handeln könnte. Umrisse kommen langsam zum Vorschein. Eine Telefonzelle mit den markanten abgerundeten Fenstern, dem sterilen grünstichigen Licht, steht unter einer alten Laterne, die sie in einen gelben Lichtkegel hüllt. Auch das Telefonbuch in der Telefonzelle hat bessere Tage gesehen und wirkt, wie wenn es aus einer anderen Zeit stammt. Auf dem ganzen Weg bis jetzt keine Menschenseele, niemand. Die Straße führt weiter. Eine lang gezogene Kurve führt gefühlt endlos um einen uneinsichtigen Hügel. Als die Straße sich wieder weitet führt sie in ein offenes Tal. Man hört ein leises Plätschern aus der Ferne. Von einem der Sonne zugewandten Hang entspringt eine kleine Quelle und fließt über Kalksteinfelsen in einen kleinen Bach. Auch hat sich der Wind gelegt und die Luft ist spürbar wärmer. So fühlt es sich gerade richtig an, einen Blick zurück zu wagen. Man sieht einen grauen Schleier, den Nebel, eine düstere, kalte Landschaft. Deswegen geht es noch ein kleines Stück in die andere Richtung. Eine weite Zweigung taucht weit entfernt auf. Bis dorthin ist es aber noch ein bisschen. An den steilen Hängen, die das Tal abgrenzen, verwirbeln Aufwinde den Hochnebel. An der Kreuzung angekommen, steht ein Wirtshaus. Beim Blick durch das Fenster - kein Mensch. Verlassen. Aufgeräumt und sauber. Die beiden Straßen, die weiter führen werden kleiner. Eine Straße führt in einen Waldabschnitt, das sieht interessant aus. So geht es einige hundert Meter in einen jungen Mischwald. Am Straßenrand taucht ein Straßenschild auf – diese Straße endet in 500m. Genau dort ist schon ein rot-weißer Schranken zu erkennen. Am Weg dorthin gibt es noch ein paar Sonnenstrahlen durch den immer aufgelockerteren Himmel, die sich ihren Weg durch die dünnen Äste der jungen Bäume bahnen. Am Schranken angekommen erkennt man direkt dahinter ein gelbes Schild: Betreten der Loipe ohne Ski nicht gestattet.

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